Erich Köhler -
Landarbeiter und Schriftsteller

abgedruckt in "Schweriner Volkszeitung" Nr. 302 30. Dezember 1957
von Hans-Jürgen Steinmann
Eines Tages kam er zu uns, zur Arbeitsgemeinschaft junger Autoren. Ein junger, dunkelhaariger Mann stand vor uns, mittelgroß, mit ausgewogenen, ruhigen Bewegungen. Er war sehr still, als wir das erste Mal mit ihm zusammensaßen, hielt den Kopf ein wenig geneigt und zwischen die Schultern gezogen, und man wußte nicht recht, ob er dem zuhörte, was in unseren Diskussionen gesprochen wurde, oder ob er seinen eigenen Gedanken nachging. Dann jedoch hob er den Kopf, und er begann zu sprechen. Er sprach stockend, und der Tonfall seiner Stimme verriet sofort, daß er kein Mecklenburger war. Er sagte nicht viel. Aber das, was er sagte, hatte Hand und Fuß; man hörte daraus, wie sorgsam er einen Gedanken durchdacht hatte, ehe er ihn aussprach.
Heute kennen wir ihn längst. Wir kennen sein helles, jungenhaftes Lachen, dessen Wirkung einfach die ist, daß man mitlachen muß; wir kennen seine ruhige, überlegte Art zu sprechen, und wir kennen seine Art zu schreiben: sauber in der Sprache, bildhaft im Ausdruck, ehrlich und warm in allem, was er gestaltet.
» Anmerkung der Redaktion: Wir beginnen morgen mit dem Abdruck der Erzählung "Das Pferd und sein Herr" und würden uns freuen, wenn unsere Leser uns ihre Meinung zu dem "Erstling" des Autors mitteilen würden.« "Schweriner Volkszeitung" 30. Dezember 1957
Das also ist Erich Köhler, Landarbeiter im ÖLB Marnitz, Kreis Parchim. Er hat ein Büchlein geschrieben, "Das Pferd und sein Herr", und hat den Fritz-Reuter-Kunstpreis des Bezirks Schwerin dafür erhalten. Eine zweite Erzählung, "Die Teufelsmühle", wird bald erscheinen, und jetzt arbeitet er an einem Roman mit dem Arbeitstitel "Korn". Das ist eine Geschichte aus seinem und aus unser aller Leben, so wie all das, was er bisher geschrieben hat, aus unserem gemeinsamen Leben hervorgegangen ist, aus seinen bitteren und aus seinen guten Stunden, aus Stunden, die wir alle durchlebt haben, die in ihm jedoch den Wunsch weckten, Geschehenes festzuhalten, es weiterklingen zu lassen, daß wir es nicht vergessen und daraus lernen.
Neunundzwanzig Jahre wird Erich Köhler in diesen Tagen. Sein Leben bis heute war nicht einfach und nicht alltäglich; für ihn jedoch mag es wie eine Leiter gewesen sein, die er Sprosse für Sprosse emporgeklommen ist. Er stammt aus Karlsbad in der Tschechoslowakei; sein Vater war Porzellanschleifer, ein Arbeiter, ein Kommunist. Die Faschisten warfen ihn ins Zuchthaus -"wegen verbotener, kommunistischer Umtriebe".... Seine Gesundheit konnten sie so zerstören, seinen Mut nicht. Sie versuchten, den Sohn dem Vater zu entfremden, ihn mit ihren lügnerischen Phrasen zu vergiften. Aber konnten sie den jungen Erich Köhler auch zuweilen schwankend machen; das Gute, das Vater und Mutter in ihn gepflanzt hatten, brach sich Bahn.
Nicht kampflos freilich! Erich Köhlers bisherige Lebensstraße ist nicht so glatt, sie ist verschlungen, wie die vieler anderer junger Menschen im Nachkriegsdeutschland.
Er arbeitete in den verschiedensten Berufen, im Sägewerk, als Landarbeiter und ging 1950 in den Uranerzbergbau nach Aue, wo er von der FDJ die Medaille für ausgezeichnete Leistungen im Fünfjahrplan erhielt.
Heute lebt er in Marnitz in einem kleinen Neubauernhäuschen, und wenn man ihn besucht, dann wird man von dem kleinen Töchterehen begrüßt, dessen Augen genauso schwarz sind wie die des Vaters.
Seine junge, blonde Frau war Arbeiterin in einer Textilfabrik. Sie ist Mitglied der Partei wie ihr Mann.
Im Sommer habe ich ihn einmal besucht. Er sollte eigentlich zu Hause sein, um zu schreiben. Unser Staat gab ihm eine Beihilfe, damit er
einige Tage in der Woche bei seiner literarischen Arbeit bleiben kann. Gute Bücher sind uns so nötig wie das Korn, das er und seine Arbeitskollegen auf den Feldern um Marnitz säen und ernten. - Ich traf Erich Köhler nicht zu Hause, sondern hin Betrieb. Er kam mir entgegen, die
Kleidung bestäubt, die Hände gelb von einem Pflanzenschutzmittel, das er auf die Felder fuhr.
"Ich dachte, du bist daheim", sagte ich.
Er lachte verlegen. "Ich habe die Arbeit begonnen und führe sie zu Ende. Das ist doch selbstverständlich."
Das eben ist es, was ihn so liebenswert macht: Seine Einfachheit, seine Bescheidenheit und seine Kameradschaftlichkeit. Er ist ein junger Mensch unserer Zeit, ein Arbeiterkind, dem der Staat der Arbeiter und Bauern den Weg zu Großem freigemacht hat. Und er selbst hat geholfen und hilft, die Steine auf diesem Weg, den wir alle gehen, beiseite zu räumen. Er ist Kommunist wie sein Vater, und er geht die Straße, die sein Vater einst gegangen ist.
Wenn wir uns nach des Tages Arbeit bei einem guten Buch entspannen, dann sitzt er an seinem Schreibtisch und schreibt für uns, ein Arbeiter, unser Genosse, ein fleißiger, begabter Schriftsteller, auf den wir stolz sein können.