Offener Brief von Peter Hacks
an Hans Magnus Enzensberger
entnommen dem Booklet von
"Was träumt der Teufel",
Auszug aus:
Brief an hans magnus enzensberger
Sehr geehrter Herr enzensberger, ich habe mir Ihre Gedichte gekauft, ich habe sie alle gelesen, sie haben ihre Vorzüge. Sie sind weitgehend kontrollierbar, von menschenfreundlicher Absicht und auch von der Absicht der Tapferkeit. Ich kann mich da irren, aber ich halte sie für die besten Gedichte, die in Westdeutschland gemacht worden sind. Es ist aber leider, was Sie schreiben, dummes Zeug (ich werfe Ihnen Unkenntnis vor). Und es verhält sich ja nicht so, daß Artistik Unkenntnis entschuldigt; sie macht dieselbe vollends unentschuldbar. Was nützt poetisches Vermögen, ohne Kenntnis, im zwanzigsten Jahrhundert, wo, und Sie werden mir da beipflichten, Poesie ohne Kenntnis nicht mehr gedacht werden kann?

Gina Pietsch
Hannes Zerbe
Was träumt der Teufel
Ein Peter-Hacks-Abend
Die bekannte Diseuse hat ein originelles Programm zusammengestellt, das den Hacks der kraftvoll-sinnlichen Liebeslyrik und der politischen Lieder und Gedichte in den Mittelpunkt stellt. Pietsch /Zerbe verwenden altbekannte Kompositionen von Asriel, Bredemeyer, Eisler, Krtschil; aber Zerbe selbst hat eine ganze Reihe von Gedichten und Liedern neu bzw. erstmals vertont.
»...der kräftige proletische Vortrag und die feine lyrische, nuancierende, leise und grad dadurch erhellende Stimme garantieren einen kenntnis- und erkenntnisreichen Abend«
(junge Welt)
Die Politik bürgerlicher Regierungen, eingeschlossen die der faschistischen, wird besorgt von den.. Inhabern einer bestimmten Eigentumsform, welche die Ökonomie Finanzkapital nennt.... Das Finanzkapital ... verfügt über politische Gewalt. Nicht die Gewalt als solche also muß abgeschafft werden, vielmehr die Gewalt der monopolistischen Kapitalisten; es muß, um diese besondere Gewalt abzuschaffen, Gewalt angewendet werden, Revolution gemacht werden. Was unternehmen denn Ihre Helden, Ihre Gegenbeispiele? Sie retirieren sich. Wohin? In die Schnulze. Mit dem schönen Basalt eine Gasse pflastern, die niemand bewohnt, eine Gasse für Vögel: Schnulze. Mit Ziegenhirten im Regen kauern und sich mit Ballerinen und Korbmachern besprechen: Schnulze. Eine junge Basilika betrachten: Schnulze. Apfel von patagonischen Ästen pflücken: Schnulze. Brot und Nüsse mit seinen Gästen teilen: Schnulze. Die Welt riechen: Schnulze. Wissen, wie der Lachs in Lappland steigt: Schnulze. Damit wir uns nicht mißverstehen: Ich habe, obwohl ich mir oft inhaltsvollere Unterhaltungen vorstelle, gar nichts gegen Ihre Basiliken und Ihre Nüsse, und lassen Sie doch ruhig Ihre Vögel auf Basalt scheißen. Aber lenken Sie nicht von der Frage der Gewalt ab. "gewaltig" ist, wer Gewalt hat. Nicht "der mensch", nicht Sie, sind Sie Rockefeller? Die Frage der Gewalt wird gelöst durch gewaltsame Besitzergreifung der Konzerne, durch Arbeiter. "Der Mensch", eine erst noch herzustellende Person, wird ermöglicht durch Aufhebung der Klassen, durch Arbeiter. Fallen Sie ihnen nicht in den Rücken. Nachher können wir weiter reden, auch über Ihre Nüsse. Damit der Mensch seinen Spaß haben kann, darum machen wir ja den Kommunismus.
erschienen im August 1958 in "Junge Kunst",
Organ des Zentralrats der FDJ
sowie 2006 in "Peter Hacks: Verehrter Kollege
- Briefe an Schriftsteller"
im Eulenspiegelverlag
Auszug entnommen dem Booklet von "Was träumt der Teufel"
- Lieder und Texte von Peter Hacks
zur weiteren Entwicklung H.M. Enzensbergers
siehe auch den Text von
Michael Scharang »Die Sehnsucht des Geistes nach dem Tornister«
aus dem Jahr 1991
aktuelles über Peter Hacks finden Sie hier:
ARGOS - Mitteilungen zu Leben, Werk und Nachwelt
des Dichters Peter Hacks (1928 - 2003)